PROJEKT "EMPOWERMENT SCHÖPFWERK"
10. April 2001

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Thema

Die geordnete Übertragung von Verantwortung von der Verwaltung auf die BewohnerInnen der Großwohnanlage "Am Schöpfwerk" im zwölften Wiener Gemeindebezirk. Durch verschiedene Organisationsformen soll es den BewohnerInnen ermöglicht werden, ihr Umfeld aktiv und in Eigenverantwortung zu gestalten. Die Belohnung von Aktivität statt Passivität soll sich in geringeren Wohnungskosten und verbesserten Kontakten innerhalb der Siedlung niederschlagen.
Ein großer Teil der ca. 5000 BewohnerInnen (ca.30%) ist zwischen 30 und 45 Jahre alt. U. a. aufgrund der hohen Wohnungskosten sind viele BewohnerInnen auf Beihilfen angewiesen. Ansiedlungen von Betrieben und Freizeiteinrichtungen fehlen nahezu völlig. Das schlechte Image tut ein übriges. - Eine typische Großwohnanlage am Stadtrand. Wiens.
Aufgrund hoher Passivität der BewohnerInnen sind für die Zukunft ernste Probleme zu befürchten.Das Projekt soll dieser Entwicklung gegensteuern.


Kurzbeschreibung

BewohnerInnen ("LokalexpertInnen"), VertreterInnen von Verwaltung und Kommunalpolitik ("FachexpertInnen") und WissenschaftlerInnen entwickelten und erprobten in sogenannten Initiativgruppen Modelle, die es ermöglichen sollten, die Lebensqualität in der Siedlung zukünftig zu garantieren und nach Möglichkeit sogar zu verbessern.
Die Forschungsarbeit wurde großteils von DissertantInnen und DiplomandInnen geleistet.


BetreiberInnen

ARGE Schöpfwerk
Die ARGE Schöpfwerk ist eine Arbeitsgemeinschaft der kulturellen und sozialen Einrichtungen in der Siedlung: der Bassena Kommunikation und des Nachbarschaftszentrums Schöpfwerk.
Der Wissenschaftsladen Wien hat das Projekt wissenschaftlich begleitet.


Zeitraum

Juni 1995 - Herbst 1997


Projektverlauf

Der Kontakt zwischen der Verwaltung und den BewohnerInnen entwickelte sich sehr produktiv. Mit großem Zeitaufwand und wachsender Bereitschaft, aufeinander einzugehen, wurden Problemlösungen gesucht.

Unter der Patenschaft der "Jazz-Gitti" wurde das "100 Schöpfer - Projekt" Anfang April gestartet. Hier unterstützen sich die BewohnerInnen gegenseitig. Sie tauschen Arbeit gegen Arbeit im Rahmen einer Börse. Kinder beaufsichtigen, Fahrräder reparieren, Kuchen backen, Nachhilfestunden - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Was die Arbeit wert ist, machen sich die TeilnehmerInnen untereinander aus. Abgerechnet wird in fiktiven Währungseinheiten, in diesem Falle handelt es sich um "Schöpfer". Weder gibt es unbegrenzten Kredit, noch eine geheime Kontoführung. Eine regelmäßig erscheinende Marktzeitung informiert über Angebot und Nachfrage.- An die Stelle von anonymen Tauschbeziehungen treten Vertrauen und Gegenseitigkeit.

Durch das Engagement der MieterInnen wurden Einsparungen erreicht:
Die Reduktion der Müllkosten durch die Verringerung der Zahl der Müllcontainer und die Einsparung einer behindertengerechten Rampe zum praktischen Arzt, die laut Kostenvoranschlag mindestens 500.000,-öS gekostet hätte. Es reicht aus, die Gegensprechanlage anzupassen und einen Gang zu öffnen.

In einem Pilotversuch wurde die "Stiegenkassa" verwirklicht. Dieses Modell sieht vor, daß Reparaturen, die keine weitreichenden Haftungsansprüche nach sich ziehen, von den HausbesorgerInnen bzw. BewohnerInnen gegen geringfügiges Entgelt selbst durchgeführt werden, um Kosten zu sparen. Die HausbesorgerInnen, MieterInnenvertreterInnen und Magistratsbeamte erstellten gemeinsam einen Leistungskatalog. Fällige Reparaturen sollen ausgeschrieben werden. Die MieterInnenvertreterInnen und HausbesorgerInnen führten eine fiktive Buchhaltung. Zwar sollten die Einsparungen dokumentiert, aber nicht real verrechnet werden.

Die auf die Siedlung bezogene Zeitschrift der "Bassena", der "Schöpfwerkschimmel", wird mittlerweile von BewohnerInnen redigiert.

Im "BürgerInnenbüro" können BewohnerInnen umgewidmete Räume der Bassena für eigene Aktivitäten benützen: Für Versammlungen, Workshops, zur Herstellung von Flugzetteln und ähnliches. Am "Politstammtisch" sprechen VertreterInnen aller im Bezirk vertretenen politischen Parteien gemeinsam mit BewohnerInnen über Probleme (in) der Siedlung.

BewohnerInnen gründen Vereine.

Durch das große und durchwegs positive Medienecho hat sich das Image merklich verbessert.


Diplomarbeiten und Dissertationen

An diesem Projekt arbeiteten DiplomandInnen mit.

Irene Berlach-Pobitzer,
Institut für Soziologie, Grund- und Integrativwissenschaftliche Fakultät d. Universität Wien
"Eine Stunde macht hundert Schöpfer". Eine Untersuchung zum Talentetauschsystem am Schöpfwerk
Diplomarbeit
Betreuer: Univ.Prof. Dr. Rudolf Richter
Dokumentation und Evaluation des "100 Schöpfer - Projektes".
Oliver Schrader,
Institut für Soziologie, Grund- und Integrativwissenschaftliche Fakultät d. Universität Wien
Zur Aneignung bedingt geeignet. Soziale, mikropolitische und architektonische Bedingungen der Aneignung und Gestaltung des Wohnumfeldes durch die Bewohner in einem Wiener Gemeindebau
Diplomarbeit
Betreuer: Univ.Prof. Dr. Rudolf Richter
Untersuchung, welche Hoffnungen und Befürchtungen bei den BewohnerInnen bezüglich Stiegengemeinschaften und deren deren Möglichkeiten und Grenzen bestehen.
Christa Peinhaupt,
Institut für Soziologie, Grund- und Integrativwissenschaftliche Fakultät d. Universität Wien
"Wir haben uns immer ewige Programme vorgenommen": Eine qualitative Analyse der Kommunikationsmuster im Projekt "Empowerment Sch–pfwerk"
Diplomarbeit
Betreuer: Univ.Prof. Dr. Rudolf Richter
Qualitative Untersuchung der Interaktions- und Kommunikationsformen der am Projekt Beteiligten untereinander.
Martina Grossegger,
WU Wien
Die Entwicklung der Wohnungskosten im Vergleich zur Einkommensentwicklung in Wien
Diplomarbeit
Betreuerin: Univ.Ass. Dr. Luise Gubitzer
Katharina Kunz,
Institut für Publizistik, Universität Wien
Stadtteilmedien in der Siedlung "Am Schöpfwerk"
Diplomarbeit
Betreuer: Univ.Prof. Dr. Roman Hummel
Inge Schrattenecker,
TU Wien
Bestimmungsgründe der Wohnqualität am Beispiel zweier Wohnhausanlagen in Wien
Diplomarbeit


Dieses Projekt wird auch im Municipia-Web präsentiert.



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